In der aktuellen Diskussion um den Verfall der Handschrift fordern Grundschullehrer bereits Zusatzstunden, um Kinder in der Feinmotorik zu fördern – so schlimm steht es offenbar aus Lehrersicht. Meiner Erfahrung nach beginnt das Problem bereits bei der mangelnden Förderung im Kindergarten.

In den letzten 15 Jahren haben sich offene Konzepte in den Kindergärten immer weiter verbreitet, während die stark rhythmisierten, gruppengebundenen Konzepte mit konsequenter Anleitung durch Erzieher immer mehr zurückgedrängt werden. Das bedeutet: Je nach Ausmaß der Offenheit findet morgens noch irgendeine gemeinsame Aktivität in einer festen Gruppe statt (oder auch nicht), aber danach bestehen nur noch „Angebote“ in den verschiedenen Räumen bzw. Ecken des Kindergartens. Weder das regelmäßige Zeichnen mit Stiften, noch klassische Fröbelarbeiten oder allgemeines Basteln wird zuverlässig von allen Kindern praktiziert. Statt dessen ist auch dies Teil der „Angebote“: Wer möchte, kann in die „Künstlerwerkstatt“ gehen – wer nicht mag, lässt es bleiben. Und die, die es bleiben lassen, sind meiner Erfahrung nach überproportional häufig die Jungs. Die entsprechenden Angebote sind für sie nur selten attraktiv.

 

Nachher – Eichhörnchen nach kurzer Instruktion (ca. 10 Min.)

Vorher: Eichhörnchen mit Nuss; freier Versuch, Junge 6 Jahre (Kindergartenkind)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu dieser problematischen Beliebigkeit  kommt unglücklicherweise oft noch die irrationale und schädliche Auffassung hinzu, man dürfe Kinder gar nicht aktiv fördern. Ein Kindergarten fasst das in seinem Manifest so zusammen: „Wir ziehen nicht und wir schieben nicht, wir lassen wachsen.“. Das ist die sentimentale, aber nicht kindgerechte Idee einer forderungsfreien Kindergartenzeit, in der sich quasi von selbst die im Kinde schlummernden Talente entfalten, wenn man es nur zulässt.

Darin zeigt sich das gesamte Dilemma einer solchen Kindergartenerziehung: Die Kinder können nicht gut zeichnen – daher haben sie keine Lust dazu – sie werden aber aus ideologischen Gründen auch nicht gefördert – also können sie weiterhin schlecht zeichnen – und haben noch weniger Interesse daran. Ein Teufelskreis.

Dies kann  letztendlich dazu führen, dass  so manches Kind in seinen drei bis vier Kindergartenjahren fast nie einen Stift in die Hand nimmt. Feste, nicht freiwillige Zeichen- und Schreibaktivitäten müssten nicht nur die fehlende Routine, Hand-Auge-Koordination, Muskulaturausbildung und Formenauffassung stärken, sondern vor allem Freude am Zeichnen wecken und die Kinder schnell zu motivierenden Erfolgen führen. Das wäre eigentlich einfach, wenn nicht die Verweigerung, aktiv in kindliche Entwicklung einzugreifen, im Wege stünde.

Damit verbunden ist häufig der Irrtum, alles Schöne und Bereichernde könne nur durch Eigeninitiative von Kindern begonnen werden. Hiermit verkennt man völlig, dass der Erzieher gerade aus seinen eigenen Erfahrungen, seiner „reichen Innerlichkeit“ (Paul Moor) und seiner ansteckenden Begeisterung heraus Kinder sehr wohl zu wunderbaren Lernfortschritten bringen kann. Ein Großvater, der gerne mit seinen Enkeln zeichnet, kann sehr wohl die Initiative dazu ergreifen und zugleich beglückende Erinnerungen und lehrreiche Erfahrungen schaffen. Wer als Kind mangels Erfahrung nicht einmal ahnt, wie schön Zeichnen sein kann, wird entsprechende „Angebote“ nicht von sich aus aufsuchen. Wenn Erzieher es aus Angst vor Verbindlichkeit beim „anbieten“ belassen, nehmen sie sich und den Kindern viele Gelegenheiten für wunderbare Erfahrungen.

Das gilt für alle Bereiche der Arbeit in Kindergarten und Schule. Am Beispiel der Feinmotorik möchte ich diese und nächste Woche besonders darauf eingehen. Mit der richtigen erzieherischen Haltung ist es eigentlich einfach, in nur 15 Minuten täglich motivierende Fortschritte in der Graphomotorik für Kinder im Vorschulalter zu erzielen. Weder Ergotherapie noch sonstige Spezialprogramme sind dazu nötig.

Hier ein kleiner Vorgeschmack: Die Bilder der Kategorie „vorher“ sind Zeichnungen, die Kinder im Rahmen eines verpflichtenden Arbeitsauftrags zu einem bestimmten Stichwort gezeichnet haben. Die Bilder der Kategorie „nachher“ sind mit Hilfe schrittweiser direkter Instruktion nur 10 Minuten danach vollendet gewesen – zum Stolz der kleinen Zeichner!

 

Enten_Maedchen_1a_gefaerbt

Vorher: Ente auf dem See, Mädchen, 5 Jahre, spontaner Versuch.

Enten_Maedchen_1b_gefaerbt

Nachher: Nach kurzer Instruktion Enten des selben Mädchens

 

 

 

 

 

 

 

 

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