Wer darf eigentlich testen?
Es existiert keine spezifische gesetzliche Regelung darüber, wer unter welchen Bedingungen einen psychologischen Test durchführen darf. Allerdings gilt für jeden und so auch für den Diagnostiker die allgemeine Sorgfaltspflicht. Um dieser Sorgfaltspflicht zu genügen, darf nur derjenige psychologische Tests einsetzen und durchführen, der über die entsprechenden Kompetenzen verfügt und eine entsprechende Ausbildung nachweisen kann.
Das Durchführen eines psychologischen Tests ohne Kompetenzen und Ausbildung kann als ungerechtfertigter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Untersuchten interpretiert werden. Bei einer testpsychologischen Untersuchung gibt der Untersuchte Dinge von sich
preis, die er normalerweise nicht jedem erzählen würde. Er tut dies im Vertrauen darauf, dass er von einem Fachmann untersucht wird, der fachlich gut begründet nach diesen Daten und Informationen fragt. Wüsste der Untersuchte, dass der Diagnostiker kein kompetenter Fachmann ist, würde er diesem die gewünschten Informationen über sich via psychologischen Test vielleicht nicht anvertrauen.
Wer mit Hilfe eines psychologischen Tests unerlaubt in das Persönlichkeitsrecht eines Klienten eingreift und damit seine Sorgfaltspflicht verletzt, kann für einen dadurch entstandenen, wie auch immer gearteten Schaden haftbar gemacht werden.
Steht ein Untersucher in einem Angestelltenverhältnis und erhält trotz nicht vorhandener Kompetenzen und Ausbildung von seinem Vorgesetzten den Auftrag zur testpsychologischen Untersuchung, geht selbstverständlich die Verantwortung für die Untersuchung und deren Folgen auf den Vorgesetzten über und nur dieser macht sich dann unter Umständen auch strafbar.
Weiterführende Literatur:
Breitenbach, Erwin (2014): Psychologie in der Heil- und Sonderpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer
Das ist mal nett formuliert… es gibt keine gesetzliche Vorschrift, aber… Im Prinzip ist das hier eine bürokratische Verklausulierung einer einfachen Tätigkeit. Es ist der Versuch Testungen für spezielle Professionen als Tätikeit zu exklusivieren. Im Prinzip braucht es für die meisten standartisierten(!) Tests einfach etwas Menschenkenntnis, Sorgfalt und Beobachtungsgabe. Wenn man sich dann noch mit den Fachbegriffen, die auch komplizierter konstruiert und erklärt wurden, als sie müssten, beschäftigt, kann man diese Tests durchführen. So kämpft halt jede Profession um seine Besitzstände.
Sehr geehrter Herr Bodo,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich würde gerne zwei Bemerkungen dazu machen.
1. Ich beschreibe im Blog lediglich die rechtliche Lage (keine bürokratische) zur psychologischen Diagostik und diese ist nicht von Psychologen gemacht, um die eigenen Pfründe zu sichern. Die gesetzlichen Bestimmungen schützen ja auch gar keine Profession, sondern fordern nur nachgewiesene diagnostische Kompetenzen, wie bei so vielen anderen Tätigkeiten, die ins Persönlichkeitsrecht der Menschen eingreifen. Stellen Sie sich doch einmal folgendes vor: Sie unterziehen sich einem Eignungstest, weil sie sehr gerne eine Ausbildung oder ein Studium beginnen möchten. Sie werden als ungeeignet abgelehnt und erfahren zufällig, dass die testpsychologische Untersuchung bezüglich ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit als wesentlicher Bestandteil der Eignungsprüfung von einem Praktikanten durchgeführt wurde, der erst wenige Tage seines Praktikums hinter sich hat. Wäre das dann wirklich für Sie in Ordnung?
2. Ich bezweifle weiterhin, dass etwas Menschenkenntnis, Sorgfalt und Beobachtungsgabe beim sachgerechten Einsatz psychologischer Tests ausreichend sind. Bereits bei der Auswahl des richtigen und angemessenen Verfahrens geraten Nicht-fachleute bereits an ihre Grenzen, weil sie die Qualität der Verfahren (klassisch und probabilistisch konstruiert) anhand der Testgütekriterien nicht verstehen und einschätzen können. Was die Durchführung der Verfahren anhand der Instruktion angeht, haben Sie allerdings durchaus Recht. Diese Anleitungen sind so genau, konkret und verständlich, dass sie tatsächlich von jedem, der lesen kann, verstanden und umgesetzt werden können. Zu einer zusätzlichen gezielten testbegleitenden Verhaltensbeobachtung sind dann jedoch nur noch wenige naive Benutzer in der Lage. Bei der Interpretation der als Ergebnis erhaltenen Zahlen wird es dann regelrecht gefährlich, wenn fachlich Unbeleckte forsch ans Werk gehen.
Wenn es Sie interessiert, lesen Sie doch meinen Blog-Artikel mit dem Titel „Diagnostische Inkompetenz deutscher Lehrkräfte“. Hier erzähle ich nur drei von vielen selbsterlebten Geschichten, die Ihrer Ansicht heftig widersprechen.
Nochmals ganz deutlich: mir (und dem Gesetzgeber übrigens auch) ist die Profession des Diagnostikers letztendlich vollkommen gleichgültig. Aber ich bestehe vor allem als Patient und Hilfesuchender darauf, dass die psychologische Diagnostik genauso wie die medizinische von Menschen durchgeführt wird, die nachgewiesenermaßen speziell dafür ausgebildet sind.
Beste Grüße
Erwin Breitenbach
Sehr geehrter Herr Breitenbach,
vielen Dank für Ihren Beitrag, ich binb froh, diesen gefunden zu haben. Dennoch habe ich einige konkretere Fragen zu diesem Thema:
1). MIt einem Bachelor of Science in Psychologie sollten meinem Verständnis nach die oben genannten Kriterien erfüllt sein. Ist es mir somit erlaubt, sämliche psychologischen Tests durchzuführen und auch dem Patieten mitzuteilen? Ich möchte mich da nur so gut es geht absichern, weil mein Arbeitgeber meine „Fähigkeiten“ bewerben möchte, sodass ich beispielsweise Intelligenztests oder Leistungstests zur Überprüfung von LRS oder Rechenschwäche durchführen darf.
2) Muss ich mich als Testdurchführer dann vorher an einer gewissen Stelle dafür melden, dass ich tests durchführen darf; wird das in irgendeiner Stelle vorher noch gesondert geprüft?
3) Ist es mir somit auch erlaubt, Diagnosen aus den Tests abzuleiten (die nicht medizinisch sind)?
Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Mühe und Zeit!
Breitenbach, Erwin (2014): Psychologie in der Heil- und Sonderpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer
Sehr geehrter Herr Henschel,
Vielen Dank für Ihre Fragen. Leider komme ich erst jetzt dazu, sie zu beantworten. Bitte entschuldigen Sie das.
– Im Grunde ist der Studiengang und Studienabschluss, wenn es zu einem Rechtsstreit kommt nicht entscheidend. Wichtig ist, dass Sie im Laufe Ihres Studiums eine Ausbildung in Psychodiagnostik nachweisen können, z.B. ein Modul „Diagnostik“ studiert haben oder entsprechende einzelne Seminare oder Vorlesungen. Auch entsprechende Fortbildungen nach dem Studium können als Beleg angeführt werden.
– Sie müssen sich an keiner Stelle registrieren lassen und Ihre Kompetenzen werden auch nirgends geprüft. Ihre Kompetenznachweise werden erst in einem Rechtsstreit wichtig.
– Sie können selbstverständlich aus Ihren Untersuchungsergebnissen bestimmte Diagnosen z.B Legasthenie ableiten. Die Frage ist nur, wer diese Diagnosen anerkennt. Wenn es um die Finanzierung einer Legasthenietherapie geht, wird Ihre Diagnose mit großer Wahrscheinlichkeit vom staatlichen Geldgeber nicht anerkannt werden. Die meisten Bezirksverwaltungen verlangen eine entsprechende Diagnose durch einen Kinder- und Jugendpsychiater oder zumindest Schulpsychologen.
Beste Grüße
Prof. i.R. Dr. Erwin Breitenbach