Bloß keine Fehler machen? Das Gute an Fehlern
Wir alle waren in der Schule und haben den Satz „Wer Fehler macht, ist dumm“ tief verinnerlicht. Schnell wurde oberstes Ziel, Fehler um jeden Preis zu vermeiden, besonders, wenn wir diese Erfahrung machten:
Der Lehrer lehrt mit einer bewährten Methode etwas Neues. Dann erhalten die Schüler die Möglichkeit, das Neue einzuüben, bevor es in Lernzielkontrollen abgefragt wird. Wer das neu zu Lernende zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend gut beherrscht und noch zu viele dumme Fehler macht, erhält schlechte Zensuren, wird dafür getadelt, beschämt, bloß gestellt, manchmal sogar bestraft; alles meist in bester Absicht. Dann geht es flott weiter zum nächsten neuen Lerninhalt. Wer viele Jahre einen solchen Unterricht genossen hat, kann dem Fehler nichts Positives mehr abgewinnen, sondern betrachtet ihn als etwas Negatives, Schlechtes; als etwas, das es unbedingt zu vermeiden gilt. Auch nach der Schulzeit bleibt diese Einstellung in der Regel erhalten und wir glauben weiterhin, dass Fehler blamabel sind, dass wir uns für unsere Fehler schämen müssen. Unser Ansehen wird durch Fehler beschädigt, wer Fehler macht, gilt als weniger kompetent.
Verständlicherweise fällt es mit einer solchen Einstellung schwer, Fehler einzugestehen. Man gibt sie nur dann zu, wenn es unbedingt sein muss, wenn man sie auf keinen Fall mehr leugnen oder abstreiten kann. Wenn man einen Fehler eingesteht, kann das unter Umständen schwerwiegende persönliche Folgen haben. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen wie z.B. Politiker, können ein Lied davon singen. Sie geben ihre Fehler deswegen meist nur „scheibchenweise“ zu und suchen gezielt nach Fehlern beim politischen Gegner, um ihn damit zu diskreditieren.
Wer so sozialisiert wurde, hat meist eine gewisse Abneigung, sich mit Fehlern intensiv auseinanderzusetzen: sie in Ruhe zu analysieren, nach Ursachen und Bedingungen für sie zu suchen, sie entsprechend ihrer Bedeutsamkeit und Tragweite einzuschätzen. Doch nur eine intensive Beschäftigung mit den eigenen Fehlern und mit den Fehlern anderer bietet die Chance, aus ihnen zu lernen. Wir könnten Wissenslücken entdecken, Handlungsbedarf feststellen oder einsehen, dass wir eigentlich gar nicht tätig werden müssen. Wird der Fehler hingegen nicht als Gelegenheit zum Erkenntnisgewinn geschätzt, entsteht hektische Betriebsamkeit und Aufgeregtheit. Man fordert schnelle Lösungen und sofortige Änderungen. Auch dies kennen wir nur allzu gut aus Politik und Medien. Der Fehler ist kaum passiert, schon haben die angeblich Kompetenten und Zuständigen bereits die Ursachen ausgemacht und wissen auch sofort, was sich ändern muss, damit ein solcher Fehler nie wieder passiert. Kluge, überdachte und angemessene Lösungen brauchen Zeit, vor allem für die Fehleranalyse.
Vor eigenen Fehlern ist man am sichersten, wenn man sich mit Äußerungen und Entscheidungen zurückhält oder das tut und sagt, was alle anderen auch tun und sagen. Der Mainstream bietet die größte Sicherheit vor eigenen, möglicherweise falschen Meinungen und Entscheidungen. Auch dies ist uns aus öffentlichen Diskussionen vertraut. Schnell machen die sogenannten Meinungsführer ihre Meinung, ihre Bewertung in den Medien öffentlich und sofort springen andere auf den fahrenden Zug auf, schließen sich an, stoßen ins gleiche Horn. Wer sich den Luxus einer eigenen, vom Mainstream abweichenden Meinung leistet, muss mit Sanktionen rechnen. Medien übernehmen allzu gerne und leidenschaftlich die Rolle des Grenzwächters. Abweichungen vom Mainstream werden gnadenlos skandaliert. Wer sich kritisch zur EU äußert wird schnell zum Antieuropäer, wer für eine Erweiterung der EU eintritt, zum Euro-Ideologen. Wer am Islam Kritik übt, kann nur ein Fremdenfeind sein, wer die Integration der Muslime fordert, wird als Multi-Kulti-Illusionist belächelt. Zurückhaltend kritische Äußerungen zur Inklusion machen einen auf der Stelle zum Behindertenfeind.
Wie könnte aber nun eine vernünftigere Fehlerkultur aussehen und entstehen? Wie könnten wir lernen, den Fehler mehr zu schätzen, um aus ihm tatsächlich etwas zu lernen?
Dies soll in den nächsten Beiträgen zum Fehler erörtert werden:
– Aus Fehlern kann man lernen, vor allem in der Schule