Dein[ə] Stink[ə]-Sock[ə]: Es leb[ə] das „schwa“!
Fast hätte ich gedacht, wir thematisieren das zu oft. Aber folgende Facebook-Nachricht einer Grundschullehrerin zeigt, dass wir es ruhig noch öfters erwähnen können: Es ist ganz, ganz wichtig für’s Lesenlernen, nicht nur die Buchstaben unserer Sprache, sondern auch die Laute, die wir für sie sprechen, genau zu kennen. Für den Buchstaben „E“ spricht man, je nachdem wo er steht, einen von drei Lauten. In Worten: Drei. Dabei sind mehrbuchstabige Schreibzeichen wie -er, -ei und -eu gar nicht mitgezählt. Ehrlich, drei Laute für das E. – Was, drei? Ich kenne das lange E wie in „Medium“ (Lautzeichen [e:] ) und das kurze E wie in „Zelt“ (Lautzeichen [ɛ]), aber was ist der dritte?
Liebe Leser, Sie wussten es bestimmt – es ist das [ə]! Sie haben auch gewusst, dass das „e“ in „Zelt“ keineswegs so klingt wie das „e“ am Ende von „Ende“ oder von „Ente“. Falls nicht, keine Bange. Das arme kleine „-e“ am Wortende ist der am meisten vernachlässigte Laut in der Schule. Und das ist besonders schade, weil dieses sogenannte „Schwa“ (Lautzeichen: [ə] ) der häufigste Selbstlaut unserer Sprache ist! Das hätten Sie jetzt nicht gedacht? Dann lesen Sie doch obige Zeilen noch einmal, diesmal sind alle „Schwas“ markiert:
Lieb[ə] Leser, Sie wussten es b[ə]stimmt – es ist das [ə]! Sie haben auch g[ə]wusst, dass das „e“ in „Zelt“ kein[ə]swegs so klingt wie das „e“ am Ende[ə] von „End[ə]“ oder von „Ent[ə]„. Falls nicht, kein[ə] Bang[ə]. Das arm[ə] klein[ə] „-e“ am Wortend[ə] ist der am meisten vernachlässigt[ə] Laut in der Schul[ə]. Und das ist b[ə]sonders schad[ə], weil dies[ə]s sog[ə]nannt[ə] „Schwa“ (Lautzeichen: [ə] ) der häufigst[ə] Selbstlaut uns[ə]rer Sprach[ə] ist! Das hätten Sie jetzt nicht g[ə]dacht?
Kein Selbstlaut ist so häufig wie das [ə]
Da können das lange [e:] und das kurze [ɛ] mengemäßig einfach nicht mithalten, wie Sie selbst sehen:
Liebe L[e:]ser, Sie wussten [ɛ]s bestimmt – es ist das [ə]! Sie haben auch gewusst, dass das „e“ in „Z[ɛ]lt“ keineswegs so klingt wie das „e“ am [ɛ]nde von „[ɛ]nde“ oder von „[ɛ]nte“. Falls nicht, keine Bange. Das arme kleine „-e“ am Wort[ɛ]nde ist der am meisten vernachlässigte Laut in der Schule. Und das ist besonders schade, weil dieses sogenannte „Schwa“ (Lautzeichen: [ə] ) der häufigste S[ɛ]lbstlaut unserer Sprache ist! Das hätten Sie j[ɛ]tzt nicht gedacht?
Die allermeisten Grundschullehrer achten heutzutage konsequent darauf, die Mitlaute nicht wie im Alphabet zu sprechen (also nicht Bee, Emm etc.), sondern mit ihrem Lautwert (b], [m]). Aber bei den Selbstlauten vergessen nach wie vor viele Lehrer und noch mehr Eltern, dass die Namen aus dem Alphabet für das Lesenlernen nicht ausreichen. A, E, I, O und U werden im Alphabet nur mit ihrer langen Lautvariante bezeichnet. Häufiger sind aber die kurzen Laute, für die diese Buchstaben stehen können.
Warum kurze Vokale wichtig für’s Lesenlernen sind
Das ist wichtig, weil Lesenlernen folgendermaßen funktioniert: Kinder lernen, Buchstaben (bzw. mehrbuchstabige Schreibzeichen wie ie, sch, ck…) wiederzuerkennen. Sie lernen auch, für diese Buchstaben einen bestimmten Laut zu sprechen. Wenn sie nun ein Wort vorlesen, sprechen sie die Laute, die ihrer Meinung nach zu den Buchstaben darin gehören, und hören sich selbst dabei zu. Wenn sie das, was sie aus ihrem eigenen Mund hören, wiedererkennen, haben sie das Wort verstanden und sind zufrieden. Aber wenn sie für A, E, I, O und U immer die langen Laute sprechen, gelingt das nicht. Dann hören sie z.B. „Eeenteee“ [e:nte:] und nicht, wie es richtig wäre, [ɛntə]. Weil es das Wort [e:nte:] aber nicht gibt, können sie es auch nicht wiedererkennen. Sie verstehen also nicht, was sie gelesen haben. Umgekehrt können sie auch [ɛntə] nicht richtig aufschreiben, wenn sie die kurzen Laute nicht lernen, sondern schreiben z.B. „Änt“.
Das gleiche Problem entsteht beim Lesen lernen mit dem Silbenansatz, denn wenn man Wörter in Silben zerlegt und so „deutlich spricht“ wie manche Lehrkräfte das fordern, entsteht ein künstliches Dehnsprechen, das die richtigen kurzen Laute fälschlich durch lange ersetzt. Trennt man „Ente“ [ɛntə], entstehen die Silben „En“ und „te“, die dann wie [e:n] und [te:] ausgesprochen werden. Ausführlich hat Prof. Thomé das Problem bereits hier erklärt.
Genauso schlecht wirkt es sich aus, wenn man die sehr häufigen Endungen „-er“ sowie „-en“, „-el“, „-es“ nicht gesondert im Unterricht thematisiert:
Die Endung „-er“: Laut [ɐ]
Die Wortendung „-er“ hat einen eigenen Laut, nämlich das [ɐ] wie am Ende von „oder“ und „Oper“. Das ist ähnlich wie das kurze [a] am Ende von „Opa“, aber eben nicht wirklich das selbe. Erklärt man das Kindern nicht, schreiben sie: „Oma geht in die Opa“, oder, wenn sie eher HipHop bevorzugen, „Deine Mudda“. Man erspart Kindern eine Menge Rechtschreibfehler, wenn man ihnen von Anfang an beibringt, dass am Wortende in aller Regel „-er“ geschrieben wird, nicht „a“, und dass man umgekehrt das „-er“ keinesfalls mit langem [e:] zu lesen hat. Das gilt natürlich auch in zusammengesetzten Wörtern: „ärgerlicher Lehrerfehler“ wird gesprochen als ärg[ɐ]lich[ɐ] Lehr[ɐ]fehl[ɐ]. Vernachlässigt man dies, entstehen die Leseprobleme, die Sie hier im Video einer Erstklässlerin mit Anlauttabelle hören können („Leder“ als [le:de:rə] statt [le:dɐ] ).
Kommt das Graphem „er“ nicht am Wortende vor, sondern vor einem Vokal, wird es als [ər] gesprochen: „ich zaubere sauberere Plauderer“ spricht man so: Ich zaub[ərə] saub[ərərə] Plaud[ərɐ].
Nur bei überbetonter Sprache – also eben nicht im alltäglichen Sprachgebrauch – kann man ansonsten die Endung -er als [ɐ] + leichtes Reibe-r sprechen.
Die Endungen „-em“ und „-en“
Auch die Endungen „-em“ und „-en“ darf man Kindern nicht so beibringen, als klänge das „e“ darin bei deutlichem Sprechen lang. Das tut es nie. Spricht man mit Gewalt so, ist das schlicht falsch.
Das „e“ in „-em“ ist entweder nicht klar zu hören, nämlich als silbisches [m̩] am Wortende nach den Reibelauten [f v s z ʃ ç x]:
- nach [f]: tiefem – [ti:fm̩]
- nach [v]: passivem – [pa’si:vm̩]
- nach [s]: nassem – [’nasm̩]
- nach [z]: losem – [‚lo:zm̩]
- nach [ʃ]: raschem – [‚raʃm̩]
- nach [ç]: welchem – [‚vɛlçm̩]
- nach [x]: wachem – [‚vaxm̩]
Oder es tritt wieder als Schwa [ə] auf, nämlich wenn der Wortbaustein „em“ vor oder nach Vokalen steht oder nach [p b t d k g] und nach [m n ŋ l r], wie z.B. in „langem Atem“ – lang[əm] At[əm].
Noch weniger sollte man sich bei der Endung „-en“ von der Schreibweise zu einer falschen Aussprache verleiten lassen. Es ist ein typischer Erwachsenenirrtum, zu glauben, man könne das „e“ in „-en“ gut hörbar machen, wenn man „deutlich spricht“. Das denken wir Erwachsenen nur, weil wir bereits wissen, dass das Wort so geschrieben wird. In Wirklichkeit verhält es sich so:
- Am Wortende nach [p] und [b] wird das geschriebene „-en“ sehr häufig als silbisches [m̩] gesprochen: „Shrek will einen halben Humpen Bier“ – halb[m̩] Hump[m̩] !
- An den meisten anderen Stellen im Wort hört man für die geschriebene Endung „-en“ nach Reibelauten ein silbisches [n̩]. Das „e“ in „en“ ist also wieder kaum hörbar: „Katzen mit scharfen Waffen“ – [‚katsn̩ mit ʃa:rfn̩ ‚vafn].
- Vor und nach Vokalen sowie nach [m n ŋ l r] und in der Verkleinerungs-Endung „chen“ spricht man ein Schwa: [ən]. Zum Beispiel: In fern[ən] Eb[ənən] qualm[ən] Feuerch[ən]. Das ist also ähnlich wie bei der Endung „-em“.
Kurz: Das Schwa sollte man nicht unterschätzen! In Thomés lautrichtigem Lesematerial wird es mit dem Beispielwort „Hase“ von vornherein berücksichtigt. Das gibt es übrigens auch in unserem Shop, genauso wie Spalten-Falten Rechtschreibübungen zum Schwa.
Auch meine Vorschulklassen lernen das Schwa zu lieben. Sie kennen den Unterschied zwischen Buchstaben und Lauten und wissen: „Der Herr E ist der Oberkönig der Königsbuchstaben, denn er kann drei Laute machen, zwei kurze und einen langen. Er macht E wie in Hase, E wie in Zelt und E wie in Feder.“ Für das Schwa haben wir eine Menge vergnüglicher Merksätze, zum Beispiel
- „Halt[ə] dein[ə] Stink[ə]-Sock[ə] nicht an mein[ə] lang[ə] Nas[ə]“ und
- „Über ein[ə] scharf[ə] Kant[ə] hüpft[ə] mein[ə] alt[ə] Tant[ə]“ sowie
- „An die alt[ə] gelb[ə] Lamp[ə] kleb ich dick[ə] süß[ə] Pamp[ə]“.
Ich habe einfach eine Schwäche für das Schwa…
Hallo Frau Stiehler,
vielen Dank für diesen Artikel.
Welche Bezeichnungen für die drei Laute verwenden Sie gegenüber den Kindern? Langes und kurzes „e“ für [e:] bzw. für [ɛ] ?
Und wie heißt der Schwa-Laut für die Leseanfänger/innen?
Danke, dass Sie über die auslautende e-Variante (realisiert als Schwa) hinaus auch noch die Aussprache der Endung berücksichtigen. Wenn man mit Kindern über dieses Phänomen spricht, müsste man ihnen eigentlich noch einen weiteren Laut vorstellen, der durch repräsentiert wird – in diesem Fall gemeinsam mit .
Doch damit ist die Komplexität von vs den gesprochenen Lauten auch dann noch nicht vollständig beschrieben. Der vokalisierte R-Laut bildet teilweise einen Diphthong mit dem vorausgehenden E-Laut, beispielsweise wie im Wort , was das Erkennen und Abgrenzen des anlautenden /e/ erschwert. Darüber hinaus möchte ich an die Endung erinnern, deren zwar geschrieben, aber (zumindest im normalen Alltagssprachgebrauch) nicht gesprochen wird.
In den Fibeln, Arbeitsbüchern und Arbeitsblättern werden bei der Ee-Einführung leider alle Lautvarianten (sowie das nicht-ausgesprochene ) bunt durcheinandergeworfen – oft auch noch mit der Aufforderung, das [e:] bzw. [ɛ] zu hören und seine Position zu bestimmen und dies, wenn es um Wörter wie Ruder, Rose oder Gabel geht. Dabei verwenden die Lehrkräfte für das [e:] den Begriff „langes e“ und für ALLE anderen Varianten den Begriff „kurzes e“. Auch in Proben müssen die Kinder dann etwas hören, was (so) gar nicht zu hören ist…
Schöne Grüße
Leider werden die Wörter, Endungen und Buchstaben, die ich in spitze Klammern setzte, nicht angezeigt.
Im zweiten Absatz meine ich die Endung „er“, auf die Sie im Artikel eingehen.
Im dritten Absatz geht es zunächst um das Wort „Erde“ und weiter unten um die Endung „el“ und den darin enthaltenen Buchstaben „e“.
Viele Grüße
Schwa
Liebes Schwa,
es ist toll, dass Sie sich melden, und das mit so interessanten Ausführungen 🙂 Ja, die Komplexität der R-Laute ist ein ebenfalls sehr vernachlässigtes Thema. Ganz kurz habe ich das im Artikel „Auf der Suche nach dem Zaubermaterial“ angesprochen, aber es wäre eigentlich mal einen eigenen Artikel wert.
Zu Ihrer Frage, wie die Laute bei mir heißen: Ich habe mich bemüht, größtmögliche Kompatibilität mit den Lauttabellen von Thomé & Thomé herzustellen. Ein Anlehnung an deren Beispielwörter haben wir daher für das schwa das „E wie in HASE“, für das 2. kurze E das „E wie in ZELT“ und für das lange E sowie als Erinnerung an die Existenz des -ER „E wie in FEDER“. So werden sie auch durchgehend in der Endlich optimal lesen lernen: Die Einsteiger-Fibel mit dem OLM Olm-Fibel benannt, wo die Kinder im vorletzten Kapitel auch selbständig erforschen, dass das E der häufigste Buchstabe in deutschen Texten ist.
Liebe Grüße,
Miriam Stiehler