Die Probleme rechenschwacher Kindern geben sich  nicht von selbst, da es sich hier nicht um eine verzögerte Entwicklung, sondern um falsche Strategien und nicht verstandene Zusammenhänge handelt. Jede Förderung muss daher mit einer „Fehleranalyse“ oder „Denkanalyse“ beginnen, also damit, dass man versteht, über welche verschlungenen Wege und Irrtümer das Kind zu seinen falschen Rechenwegen und Ergebnissen kommt. Nur so kann sinnvolle Förderung beginnen. – Teil 5 von Michael Gaidoschicks Reihe zum Thema „Wege und Irrwege in der Rechenförderung“.

Vom unserem Kollegen Prof. Dr. Michael Gaidoschik aus Österreich.

Forderung 1: Ausgangspunkt und dauerhafte Begleitmaßnahme jeder Förderung muss eine sorgfältige „Denkanalyse“ sein.

In Detailfragen der Förderung werden Sie auch unter namhaften Autoren wie GERSTER, SCHIPPER, LORENZ einiges an Unterschieden, teils auch einander Widersprechendes finden. Dennoch: Aus der aktuellen Forschung lassen sich eine Reihe von Forderungen für eine gezielte Förderung rechenschwacher Kinder ableiten, die – denke – ich innerwissenschaftlich außer Streit gestellt werden können. Wer immer auf diesem Gebiet tätig werden will, müsste sich mit diesen Forderungen zumindest auseinanderzusetzen.

Der Ausdruck „Denkanalyse“ ist in diesem Zusammenhang, so glaube ich jedenfalls, auf meinem Mist gewachsen; in der Fachliteratur finden Sie dafür eher das Wort „Fehleranalyse“. Nur: Es geht gar nicht unbedingt nur um Fehler. Ein Kind, das in der dritten Schulstufe 7 + ? = 15 zählend löst und dabei auf 8 kommt, hat keinen Fehler gemacht – trotzdem hat es ein Problem; und die Grundlage dieses Problems ist sein mathematisches Denken. Daher Denkanalyse: Nur wenn ich weiß, wie ein Kind über Zahlen, Stellenwerte, Rechenoperationen denkt, kann ich sinnvolle Fördermaßnahmen von nicht zielführenden Maßnahmen unterscheiden.

Ich muss also das mathematische Denken der Kinder ernst nehmen, auch und gerade dort, wo Kinder zu falschen Lösungen kommen; ich muss anerkennen, dass sie das aufgrund von Überlegungen tun, die ihnen selbst richtig erscheinen; ich muss sie dazu bringen, über diese Überlegungen Auskunft zu geben, nicht nur verbal (was mitunter schwierig ist), sondern vor allem auch durch Vorzeigen ihrer Lösungswege; und ich muss daraus aufgrund meines Fachwissens und meiner Erfahrung die richtigen Schlüsse ziehen. Und zwar nicht nur zu Beginn der Förderung, im Sinne einer „Eingangsdiagnostik“, sondern laufend, auf jeder Stufe der Förderarbeit immer wieder aufs Neue.

 

Dieser Artikel ist der fünfte Teil einer Reihe. Sie finden alle Artikel der Reihe wahlweise unter den Schlagworten „Wege“ und „Irrwege“ oder über diese Links: