Ein Gastbeitrag von Prof. em. Hermann Karcher

In einem Schulbuch für Klasse 13 finden Sie folgende Aufgabe:

Sie ist ein extremes Beispiel für einen krampfhaften – und in der Folge unsachgemäßen – Anwendungsbezug in Mathematikbüchern.

Erstens ignoriert die Aufgabe die jedem Zuschauer von Ballspielen bekannte Tatsache, dass Dinge nicht geradeaus fliegen. In der mit einer Sekunde angegebenen Flugzeit fällt der Pfeil um 5 m, das ist etwa die Hälfte des Höhenunterschieds zwischen dem Standort des Schützen und dem “Bergland” auf der anderen Seite des Flusses. Die Länge der Flugbahn kann also nicht korrekt berechnet werden, denn sie ist keine gerade Linie, sondern eine Kurve.

Zweitens, aus den Koordinaten für den Startpunkt des Pfeils muss man schließen, dass die z-Achse vertikal ist. Wenn dem so ist, muss aber die Scheibe W senkrecht über der Scheibe B stehen – im Gegensatz zur Zeichnung. Wenn nicht klar ist, wo das Ziel sein soll, kann man auch die Frage, welche Scheibe der Indianer trifft, nicht sicher beantworten.

Drittens, Dezimeter spielen nur deshalb eine Rolle, weil ein Kubikdezimeter gleich einem Liter ist. Das ist der wichtigste Anwendungsfall für diese Maßeinheit, deshalb lernt man sie. Aber in keinem geographischen Dokument kommen Dezimeter als Entfernungs- oder Höhenangaben vor. Die vermeintlich „lebensnahe“ Anwendungsaufgabe erweist sich auch in diesem Punkt als falsch und lebensfern.


Viertens, in einer Zeit, in der die Gesellschaft darüber diskutiert, die Geschichten von Jim Knopf und Pippi Langstrumpf sprachlich “politisch korrekt” zu zensieren, kann ein Schulbuch nicht einen Indianer solchen Unsinn machen lassen. Jeder indianische Bogenschütze wüsste aus der Praxis, dass Pfeile nicht geradeaus fliegen und Zielscheiben nicht übereinander stehen.

Es dient nicht dem Verständnis der Rolle, die die Mathematik für die exakten Naturwissenschaften spielt, wenn Anwendungen realitätsfern und albern sind.