Wie lernt man am besten Vokabeln? Teil 2: Mit dem Karteikasten
Mit dem Karteikasten zu arbeiten, ist inzwischen auch an einigen Schulen verbreitet. Diese Methode eignet sich sowohl für Vokabeln als auch Sachwissen verschiedenster Art. Ihre Vorteile liegen auf der Hand:
- Gut und schlecht beherrschte Wörter, Vokabeln, Formeln oder Fakten lassen sich ganz klar von einander trennen (was beim Vokabelheft nicht der Fall ist.)
- Der Lerneffekt hängt nicht von der Reihenfolge der Wörter oder Einträge ab (im Gegensatz zu Heft und Schulbuch).
- Man behält den Überblick, was bis zur nächsten Prüfung noch zu tun ist.
- Es ist sehr motivierend, zu sehen, wie die Karten im „Gekonnt“-Fach immer zahlreicher werden.
- Das System ermöglicht es, schnell und gezielt länger zurückliegenden Stoff zu wiederholen (z.B. für eine Abschlussprüfung oder am Ende des Schuljahres.)
- Mit den Karteikarten kann man sehr gut „Leerlaufzeiten“ nutzen: Beim Warten auf den Bus, beim Arzt, zwischen zwei Fernsehsendungen usw. kann man schnell eine Runde mit einem kleinen Stapel Karten lernen.
- Die Selbstkontrolle zwingt einen, ehrlich zu sich selbst zu sein und den eigenen Lernfortschritt kritisch im Auge zu behalten.
Wie lernt man Vokabeln mit dem Karteikasten?
Das Grundprinzip ist einfach. Auf kleine Karteikarten in DinA8 (für anderes auch A7 oder A6) schreibt man vorne das deutsche, hinten das fremdsprachige (z.B. englische) Wort. In einer passenden Schachtel (kaufen oder selber machen) mit mehreren Fächern steckt man zunächst alle Karten in das Fach „Neu / nicht gekonnt“. Nun nimmt man jede Karte, schaut die eine Seite an und fragt sich, ob man die Übersetzung weiß. Durch Umdrehen kontrolliert man sich selbst. Wusste man die richtige Antwort, darf die Karte in ein Fach für die „gekonnten“ Wörter wandern; wenn nicht, muss sie im „Neu / nicht gekonnt“-Fach bleiben und nochmals bearbeitet werden.
Besonders effektiv ist diese Übungsform, wenn man immer 4 Karten aufeinmal in die Hand nimmt und diese mehrere Durchgänge lang anschaut, beantwortet und kontrolliert. Sobald das erste Wort gewusst wurde, legt man diese Karte auf den Tisch ab. Wurde das zweite Wort richtig gewusst, legt man auch diese Karte ab. Mit den verbleibenden zwei Karten übt man solange abwechselnd, bis man die Übersetzung blitzschnell (unter 1 Sek.) denken oder sagen kann. Dann werden alle vier Karten auf einmal ins nächste „gekonnt“-Fach gepackt.
Für die Gestaltung der „gekonnt“-Fächer gibt es mehrere Möglichkeiten. Das einfachste wäre ein Karteikasten, der nur 2 Fächer hat: „Gekonnt“ und „Neu / nicht gekonnt“. Das führt aber normalerweise nicht zu genug Wiederholungen.
Bewährt hat sich ein Kasten mit 7 Fächern: Man beginnt mit allen (neuen) Karten im vordersten Fach. Jedes Mal, wenn man die richtige Antwort wusste, darf die Karte ein Fach weiter wandern. Ziel ist, dass alle Karten im Fach 7 stecken. Man also mindestens sechs Mal die richtige Lösung gewusst, bis eine Karte hier landet. Wenn man falsch antwortet, muss die Karte wieder ein Fach nach vorne wandern (z.B. von 4 nach 3).
Wer nach diesem System jeden Tag mit dem Karteikasten arbeitet, trainiert seinen Wortschatz bereits sehr gut. Als Richtwert sollte gelten: jeden Tag müssen aus jedem Fach mindestens 3 Karten ein Fach weiter wandern. Außerdem sollte man gleichmäßig die Karten von Deutsch nach Englisch und umgekehrt üben, um im aktiven und passiven Wortschatz fit zu werden.
Perfektionisten fragen sich, was das beste Timing für die verschiedenen Wiederholungen ist. Sollte man jeden Tag gleich viele Karten aus allen Fächern bearbeiten? Und wie lang sollte der Abstand zwischen den Durchgängen sein? Diese Überlegungen nimmt einem der Mercedes unter den Karteikästen ab, das von einem Lehrer entwickelte HAN Lernsystem. Hier kreisen die Karten in 22 durchsichtigen Behältern in einem zweispaltigen Karteikasten, und durch ein einfaches Zuordnungssystem vergrößern sich automatisch die Wiederholungsabstände. Sobald ein Wort sicher gewusst wurde, erfolgt die nächste Wiederholung in 6, dann 12, dann 19 Tagen. Die speziell hierfür erhältlichen Karteikarten muss man nicht unbedingt kaufen, man kann einfach die entsprechende Zahl am Rand einer normalen Karteikarte notieren. Ich habe hiermit sehr gute Erfahrungen gemacht, da der Lernkomfort sehr groß ist und die tägliche Lernportion klar definiert. Am Anfang muss man sich an die Zuordnungstechnik gewöhnen bzw. sie den Kindern erklären. Außerdem sollte man darauf achten, dass die Kinder in den ersten Wochen wirklich täglich korrekt damit arbeiten, damit sich alle Fächer füllen. Das muss man aber mit jedem System.
Besitzt man irgendwann sehr viele Karten, bietet es sich an, sie nach Lektionen geordnet in einer größeren Schubladenbox mit einer Grundfläche der Größe DinA4 quer zu verwahren und von Zeit zu Zeit zu wiederholen (dabei reicht es dann meistens, wenn man sie zweimal hintereinander richtig wusste). Gut geeignet sind zum Aufbewahren Schubladenkisten, wie es sie aus Pappe oder Sperrholz bei IKEA und im Büroartikelhandel gibt. Wenn man eine Schublade mit Pappstreifen in drei Längsbahnen unterteilt, passen fast 2000 Karteikarten hinein, also ein Grundwortschatz. Wer gerne Sprachen lernt, kann sich so einige jahrzehntelang haltbare „Schatzkisten“ anlegen, um in verschiedensten Lebensphasen sein Vokabular aufzufrischen.
Karteikarten richtig schreiben – Tipps und Tricks
Soviel zum praktischen Vorgehen. Wichtig für effizientes Lernen ist außerdem, dass man die Karten richtig schreibt. Dafür gibt es einige Grundregeln:
- Nur das Allgemeinste wird aufgeschrieben. Also bei Verben der Infinitiv, bei Nomen die Einzahl (außer, die Mehrzahl wird unregelmäßig gebildet: woman – women), bei Adjektiven nicht auch das abgeleitete Adverb (außer es ist unregelmäßig) usw. Diese Formen bilden zu können, ist eine Frage des Grammatikwissens, und das muss man unabhängig von den Vokabeln beherrschen. Es macht keinen Sinn, 100 Adverben auswendig zu lernen an Stelle der einen Regeln für die Adverbbildung.
- So wenig wie möglich, so viel wie nötig: Sprachliche Phrasen muss man als solche erkennen; leider leisten einige Schulbücher hier nur mangelhafte Vorarbeit und die Hilfe der Lehrkraft oder der Eltern ist gefragt. Es ist z.B. nicht sinnvoll, „nuts – 1. Nüsse 2. verrückt (coll.)“ aufzuschreiben. Richtig wäre eine Karte mit „a nut – eine Nuss“ und eine weitere Karte mit der vollständigen Phrase „to be nuts (coll.) – verrückt sein“ bzw. „to go nuts (coll.) – verrückt werden“. Weitergehende Beispielsätze sind auf Karteikarten nur dann hilfreich, wenn sie die idiomatisch korrekte Verwendung sehr treffend illustrieren (z.B. zusätzlich zu „pudding – 1. Dessert mit altbackenem Brot (Nicht wie dt. Pudding!), 2. Nachtisch allg.“ die Frage „What’s for pudding?“ (coll.) – „Was gibt es zum Nachtisch?“).
- Verben werden mit Platzhaltern für mögliche Objekte aufgeschrieben: to steal sth. from s.o. – etw. von jmd. stehlen. Als Abkürzungen sollte man sich dabei an sth. = something und s.o. = someone gewöhnen.
- Verben werden mit begleitendem „to“ aufgeschrieben, um sie als Verben zu identifizieren und von gleichlautenden Nomen zu unterscheiden. Also „to steal sth. from s.o.“ im Gegensatz zu „a steal – ein Schnäppchen“.
- Bei unregelmäßigen Verben schreibt man die Partizipien dazu: to go (went, gone) – gehen (ging, gegangen)
- Auch Wörter derselben Wortfamilie gehören auf getrennte Karteikarten. „to steal sth. from s.o.“ und „a steal“ stehen jeweils auf einer anderen Karte.
- Ähnliche deutsche Bedeutungen trennt man mit Kommata ab, unterschiedliche Bedeutungen werden nummeriert: „to shout – schreien, rufen“, aber: „term – 1. Bezeichnung, Ausdruck 2. Halbjahr, Semester“.
- Aussprachehilfen können gerade für Anfänger nützlich sein. Um sie zu verwenden, muss man allerdings zuerst die entsprechenden Zeichen der Lautschrift lernen. Eine sehr gute Übersicht für Schüler findet sich hier.